
Schlüsselgehäuse
und
Reparaturklausel.
Schlüsselgehäuse
und
Reparaturklausel.
von
Darf man Auto-Schlüsselgehäuse nachbauen – oder verletzt das den Designschutz des Herstellers?
Der Bundesgerichtshof hat in einem Designstreit hierzu entschieden und geht dabei vor allem auf die Unterschiede zwischen altem und neuem Designrecht ein. Im Mittelpunkt steht die sogenannte Reparaturklausel und die Frage, wann Ersatzteile tatsächlich als „Reparaturbauteile“ gelten.
Ein Streit um ein Ersatzteil mit Signalwirkung
Der Fall begann mit einem unscheinbaren Autoteil: einem schwarzen Kunststoffgehäuse für einen Fahrzeugschlüssel. Die Inhaberin eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters war der Ansicht, dass ein Online-Händler mit dem Vertrieb baugleicher Ersatz-Schlüsselgehäuse ihr Designrecht verletze.
Der Händler verteidigte sich mit dem Argument, sein Produkt diene ausschließlich der Reparatur beschädigter Schlüssel und falle daher unter die sogenannte Reparaturklausel. Diese Regel erlaubt den Nachbau bestimmter Ersatzteile, wenn sie nur zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbilds eines Produkts verwendet werden.
Nachdem das Landgericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf dem Designinhaber Recht gegeben hatten, landete der Fall schließlich beim BGH – und dieser entschied differenziert: teils Bestätigung, teils Korrektur, vor allem aber eine Neujustierung der Rechtslage im Lichte des neuen EU-Designrechts.
Reparaturklausel: Vom alten zum neuen Recht
Bis zum 30. April 2025 galt in der Europäischen Union die alte Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV). Sie enthielt eine weit gefasste Reparaturklausel: Ersatzteile durften nachgebaut werden, wenn sie für die Reparatur eines komplexen Erzeugnisses verwendet wurden, um dessen ursprüngliches Erscheinungsbild wiederherzustellen. Damit waren auch formungebundene Teile – also solche, deren Form nicht zwingend durch das Gesamterzeugnis vorgegeben ist – privilegiert.
Zum 1. Mai 2025 trat nun die umfassende EU-Designrechtsreform in Kraft: Aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster wurde das Unionsgeschmacksmuster. Die neue Verordnung brachte auch eine geänderte Reparaturklausel in Artikel 20a UGV.
Die Neuerung: Nur noch formgebundene Ersatzteile fallen darunter, also solche, deren Design von der Erscheinungsform des Gesamtprodukts abhängig ist – etwa Karosserieteile eines Autos.
Formungebundene Teile, wie Gehäuse, Felgen oder Schlüssel, sind seitdem nicht mehr automatisch durch die Reparaturfreiheit geschützt.
Der BGH zieht klare Linien
Der Bundesgerichtshof griff in seinem Urteil vom 09.10.2025 – Az. I ZR 116/24 diesen Übergang von altem zu neuem Recht auf und formulierte Grundsätze, die weit über den Einzelfall hinausreichen.
Zunächst stellte der Senat klar, dass das Schlüsselgehäuse grundsätzlich ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses, nämlich des Kraftfahrzeugschlüssels, sei. Es könne demnach unter die alte Reparaturklausel fallen – aber nur, wenn der Anbieter die vom EuGH entwickelten Sorgfaltspflichten einhält.
Das tat die Beklagte nicht. Ihr Internetangebot enthielt keine klaren Hinweise darauf, dass:
- das Ersatzteil ein fremdes Design nutzt,
- und ausschließlich zur Reparatur gedacht ist.
Ein Hinweis wie „1:1 Ersatzgehäuse – TOP Preis + Leistung“ genüge nicht. Die Beklagte habe somit ihre Informationspflichten verletzt und das Designrecht der Klägerin verletzt.
Allerdings endete der Unterlassungsanspruch mit dem Stichtag 30. April 2025. Denn mit dem Inkrafttreten der neuen Verordnung änderte sich die Rechtslage grundlegend: Das Schlüsselgehäuse fällt nicht mehr unter die neue engere Reparaturklausel, da es sich nicht um ein formgebundenes Ersatzteil handelt. Damit entfiel die Wiederholungsgefahr – und der Unterlassungsanspruch erlosch.
Die durch eine Zuwiderhandlung gegen ein Verbot begründete Wiederholungsgefahr entfällt bei einer Rechtsänderung, wenn das neue Recht zu einer wesentlichen qualitativen Änderung des Verbots führt“,
heißt es dazu im Leitsatz des Urteils.
Die neue Reparaturfreiheit: enger, aber klarer
Das Urteil zeigt: Der BGH bleibt zwar auf der Linie des EuGH, zieht aber die Konsequenzen aus der EU-Rechtsreform. Die alte, weit gefasste Reparaturklausel erlaubte den Nachbau optisch identischer, aber formungebundener Ersatzteile – allerdings nur unter strengen Informationspflichten. Die neue Vorschrift beschränkt diesen Spielraum erheblich.
Nach neuem Recht ist nur noch der Nachbau solcher Teile erlaubt, deren Form zwingend durch die Gestalt des Gesamtprodukts vorgegeben ist – etwa Scheinwerfer, Stoßfänger oder Kühlergrills, die zur Fahrzeugform passen müssen. Ein Schlüsselgehäuse bestimmt dagegen selbst das Erscheinungsbild des Schlüssels und ist damit nicht formabhängig. Es genießt daher weiterhin Designschutz.
Zudem enthält das neue Recht eine gelockerte, aber klar definierte Hinweispflicht: Anbieter müssen Verbraucher sichtbar über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers informieren, um eine „bewusste Wahl“ zwischen Ersatzteilen zu ermöglichen.
Praktische Folgen für Hersteller und Ersatzteilanbieter
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf den Ersatzteilmarkt:
Unternehmen, die Ersatzteile oder Zubehör vertreiben, müssen künftig besonders genau prüfen, ob ihre Produkte formgebunden sind und ob sie alle erforderlichen Informationen bereitstellen.
Vor dem 1. Mai 2025 galt:
Auch formungebundene Ersatzteile konnten von der Reparaturklausel profitieren, sofern sie ausschließlich zur Wiederherstellung des Originals angeboten und korrekt gekennzeichnet wurden.
Seit dem 1. Mai 2025 gilt:
Nur noch formgebundene Ersatzteile sind privilegiert. Wer formungebundene Produkte wie Schlüsselgehäuse, Radkappen, Gehäuseteile oder dekorative Fahrzeugkomponenten anbietet, muss mit Designschutzansprüchen rechnen.
Für Designinhaber – insbesondere in der Automobilbranche – bedeutet das Urteil also eine gewisse Entwarnung, da ihre Schutzrechte unter dem neuen Recht tendenziell gestärkt werden.
Für Ersatzteilhändler gilt dagegen: mehr Transparenz, mehr Prüfpflicht, weniger rechtlicher Spielraum.
Fazit
Mit dem Urteil „Schlüsselgehäuse“ hat der Bundesgerichtshof das Designrecht an die neue europäische Systematik angepasst – präzise und zugleich praxisnah.
Einerseits bestätigt er, dass die alte Reparaturklausel bis April 2025 auch auf formungebundene Teile anwendbar war. Andererseits setzt er ein deutliches Signal: Wer sich auf diese Ausnahmeregelung beruft, muss die rechtlichen Voraussetzungen strikt einhalten.
Seit Mai 2025 gilt ein klareres, wenn auch engeres System: Nur formgebundene Ersatzteile dürfen nachgebaut werden – und auch das nur unter transparenter Kennzeichnung des Ursprungs.
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