Zu Risiken und Nebenwirkungen für Influencer, Heilmittelwerberecht, HWG, Rechtsanwalt, Arzneimittelwerbung

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Ein fröhliches Reel, 18 Sekunden lang: Eine Influencerin mit über 100.000 Followern wacht müde auf, greift zu einem freiverkäuflichen Medikament – und plötzlich ist der Tag gerettet. Unterlegt mit Musik, charmant inszeniert, eindeutig werblich. Nur eines fehlt: der berühmte Satz „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage …“.

Ein Reel für ein Medikament

Eine Influencerin warb mit ihrem Namen und Gesicht für ein bekanntes Arzneimittel – bezahlt von der Herstellerin. Im Reel selbst erschien kein Pflichttext, auch akustisch fehlte jeder Hinweis. Erst in der Textbeschreibung unter dem Video tauchte am Ende der Standardsatz mit dem Hinweis auf Risiken und Nebenwirkungen auf.

Zusätzlich hatte das herstellende Unternehmen einen zweiten Account mit dem sprechenden Namen „@D._pflichttext“ eingerichtet, auf dem die gesetzlich vorgeschriebenen Hinweise als Kachelgrafiken abrufbar waren.

Was aus Marketingsicht nach einer cleveren Lösung klang – Pflichtangaben hübsch ausgelagert, um das Video „clean“ zu halten –, war aus Sicht eines Verbandes zur Selbstkontrolle der pharmazeutischen Industrie ein Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht.

Hintergrund: Warum der Pflichtsatz so wichtig ist

Das Heilmittelwerbegesetz regelt die Werbung für Arzneimittel streng – und das aus gutem Grund. Werbung darf Verbraucher nicht unsachlich beeinflussen oder in Sicherheit wiegen. Wer audiovisuelle Medien nutzt, also Bewegtbildformate mit Ton, muss deshalb einen deutlich sichtbaren und hörbaren Warnhinweis geben.

Konkret schreibt das Heilmittelwerbegesetz (HWG) vor, dass nach jeder audiovisuellen Arzneimittelwerbung der Satz einzublenden und zu sprechen ist:

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke.

Diese Vorschrift gilt nicht nur für klassische TV-Spots, sondern für alle Formate, die mit Bild und Ton arbeiten – also auch Reels, TikToks und YouTube-Shorts.

Pflichttext muss im Video erscheinen

Mit Urteil vom 11.09.2025 – Az. 6 U 118/24 verurteilte das OLG Köln den werbenden Hersteller. Ein Hinweis im Beschreibungstext oder in einem verlinkten Profil ersetzt die gesetzlich geforderte Einblendung nicht. Die Norm verlangt den Hinweis im Medium selbst, nicht daneben.

Das Argument der Beklagten, sie habe „mehr Informationen“ geliefert, weil sie den gesamten Pflichttext aus dem Gesetz in den Begleittext eingefügt habe, ließ das Gericht nicht gelten. Der Gesetzgeber habe sich gerade bewusst für weniger entschieden: einen einzigen, kurzen, einprägsamen Satz, der im Bewegtbild zuverlässig auffällt.

Es ist geboten, kurz gezeigten Werbebotschaften mit einem über die beiden Sinneskanäle Hören und Sehen wahrnehmbaren Warnhinweis ein zuverlässig auffälliger Kontrapunkt entgegenzusetzen.

Influencerin als „bekannte Person“ – keine Ausnahme für Social Media

Besonders praxisrelevant ist der zweite Teil der Entscheidung. Das Gericht stellte nämlich fest, dass die Influencerin als „bekannte Person“ im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes gilt.

Diese Vorschrift verbietet es, außerhalb der Fachkreise mit bekannten Persönlichkeiten zu werben, wenn deren Popularität geeignet ist, den Arzneimittelverbrauch zu fördern. Und: Bekanntheit im heilmittelwerberechtlichen Sinne meint nicht zwingend Fernsehprominenz.

Der Senat betont, dass die „parasoziale Nähe“ zwischen Influencern und Followern den gleichen Effekt erzeugt wie klassische Prominenz. Über 100.000 Follower, regelmäßige Posts, Einblicke in das Privatleben – all das schafft Vertrauen und kann Kaufentscheidungen emotional beeinflussen. Genau diese Mechanismen sollen im Arzneimittelrecht unterbunden werden.

Damit ist klar: Auch eine Influencerin, die „nur“ in ihrer Community bekannt ist, fällt unter das Werbeverbot – sobald sie für ein Medikament wirbt.

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln macht unmissverständlich klar: Social Media ist kein rechtsfreier Raum. Wer auf Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube Arzneimittel bewirbt, muss die gleichen rechtlichen Vorgaben einhalten wie in klassischen Medien.

So muss der Pflichttext bei audiovisuellen Formaten zwingend ins Video selbst eingeblendet werden. Der Satz zu Risiken und Nebenwirkungen muss am Ende eines Reels oder Kurzclips sowohl sichtbar eingeblendet als auch hörbar gesprochen werden. Ein bloßer Verweis in der Bildunterschrift, ein eingeblendeter Hashtag oder gar ein ausgelagerter Hinweis auf einem separaten Profil reichen nicht aus.

Darüber hinaus macht das Gericht deutlich, dass Influencer-Kampagnen stets als Unternehmenswerbung zu betrachten sind. Wenn ein Pharmaunternehmen eine Influencerin beauftragt, trägt es die volle Verantwortung für den Inhalt und die rechtliche Zulässigkeit der Veröffentlichung – selbst dann, wenn die Influencerin das Video eigenständig produziert oder auf ihrem eigenen Kanal teilt. Die Verantwortung lässt sich nicht „wegdelegieren“.

Auch die Frage, wer als „bekannte Person“ gilt, interpretiert das Gericht weit. Bekanntheit ist relativ, aber rechtlich wirksam. Wer über Social Media eine große Reichweite und ein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinen Followern aufgebaut hat, fällt unter das Werbeverbot für bekannte Persönlichkeiten. Entscheidend ist nicht die Plattform, sondern die Wirkung auf das Publikum.

Das OLG Köln weist schließlich darauf hin, dass verlinkte Pflichttexte zwar hilfreich sein können, um zusätzliche Informationen bereitzustellen, rechtlich aber keinen Ersatz für den gesetzlich vorgeschriebenen Hinweis im Video darstellen. Ein ergänzender Hinweis-Account mag praktisch sein, ändert jedoch nichts am Mindeststandard des Heilmittelwerberechts.

Mit anderen Worten: Kreativität im Marketing bleibt erlaubt – aber nur innerhalb klarer juristischer Leitplanken. Wer Arzneimittel in den sozialen Medien bewirbt, muss die rechtlichen Vorgaben kennen, ernst nehmen und von Anfang an in die Kampagnenplanung integrieren.

Fazit

Influencer können bekannte Personen im Sinne des Heilmittelwerberechts sein und wer auf Social Media Arzneimittel bewirbt, muss dieselben Pflichten erfüllen wie im Fernsehen.

Dem Versuch, Pflichtangaben hinter Hashtags oder Zusatzaccounts zu verstecken, erteilt das Gericht eine Absage. Bei entsprechender Werbung gehört der Pflichttext in das Video – sichtbar, hörbar, unmissverständlich.

Wer also künftig Arzneimittel über Kurzvideos bewirbt, sollte frühzeitig juristischen Rat einholen, um teure Abmahnungen zu vermeiden.

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