
Gutscheinwerbung
bei
Rezepten.
Gutscheinwerbung
bei
Rezepten.
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Dürfen Apotheken bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit Geldprämien, Rabatten oder Gutscheinen werben? Und was gilt, wenn der Versand aus dem Ausland erfolgt?
Gutschein der Versandapotheke
Ausgangspunkt war eine niederländische Versandapotheke, die seit über zehn Jahren mit verschiedenen Bonusaktionen auf sich aufmerksam machte. Kunden erhielten teils eine Geldprämie von bis zu 20 Euro pro Rezept, teils einen Hotelgutschein oder eine kostenlose ADAC-Mitgliedschaft, manchmal auch einen Rabattgutschein für den nächsten Einkauf. Mehrere deutsche Apothekerkammern sahen darin einen klaren Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und gingen seit 2013 mit einstweiligen Verfügungen dagegen vor. Die niederländische Apotheke wiederum verlangte später Schadensersatz und argumentierte, die gerichtlichen Verfügungen seien von Anfang an unbegründet gewesen, weil ihre Aktionen rechtlich zulässig gewesen seien.
Damit landete der Streit – nach einem langen Instanzenzug – schließlich beim Bundesgerichtshof. Dieser hatte nicht nur zu klären, welche Arten von Werbevorteilen Apotheken tatsächlich gewähren dürfen, sondern auch, wie Gerichte mit dem Umstand umgehen müssen, dass sich die beteiligte Apotheke nach niederländischem Recht richtet, während der Werbeeffekt in Deutschland eintritt.
Hintergrund
Das Heilmittelwerberecht verbietet grundsätzlich das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren von Zuwendungen oder sonstigen Werbegaben im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel. Von diesem Grundsatz können Zuwendungen oder Werbegaben in Form eines bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrags ausgenommen sein, sofern nicht zugleich kein Verstoß gegen preisrechtliche Vorschriften des Arzneimittelgesetzes vorliegen.
Die Entscheidung des BGH
Mit seiner Entscheidung zur Gutscheinwerbung vom 06.11.2025 – Az. I ZR 182/22 hat der Bundesgerichtshof erneut klargestellt, wo die Grenzen zulässiger Werbeaktionen im Zusammenhang mit Arzneimitteln verlaufen. Der Bundesgerichtshof nutzte die Gelegenheit, gleich mehrere Grundsatzfragen zu beantworten.
Ausländisches Recht
Zunächst stellte er klar, dass Gerichte bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ausländisches Recht nicht einfach übernehmen dürfen, nur weil sich die Parteien einig sind. Selbst wenn beide Seiten dasselbe vortragen, müsse das Gericht das ausländische Recht eigenständig ermitteln. Der Senat betonte, dass dies eine Pflicht sei, keine bloße Möglichkeit. Im konkreten Fall habe das Berufungsgericht gegen diese Pflicht verstoßen, weil es sich allein auf den Vortrag der Parteien zum niederländischen Apothekenrecht gestützt habe.
Werbevorteile
Im Kern ging es aber um die Frage, welche Arten von Werbevorteilen das Heilmittelwerberecht erlaubt. Hier zog der BGH eine klare Linie. Eine „Bandbreiten-Prämie“, also eine Werbung mit einer Spanne wie „mindestens 2,50 Euro, bis zu 20 Euro pro Rezept“, sei unzulässig. Die Spanne sei zu unbestimmt und ermögliche eine unsachliche Beeinflussung der Verbraucher. Auch Gutscheine oder prozentuale Rabatte, die nicht sofort, sondern erst bei einem späteren Einkauf wirken, verstoßen nach Auffassung des Gerichts gegen das Heilmittelwerberecht. Entscheidend sei, dass der Vorteil nicht unmittelbar mit dem aktuellen Erwerb des verschreibungspflichtigen Arzneimittels verknüpft ist.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Rabatt oder die Gutschrift sofort bei der aktuellen Bestellung angerechnet wird – etwa als direkter Preisnachlass oder Barrabatt. Solche unmittelbaren Preisvorteile können unter die gesetzliche Ausnahme für „Geldbeträge“ fallen, die das Heilmittelwerberecht ausdrücklich vorsieht. Ein später einlösbarer Gutschein hingegen sei keine solche Geldleistung, sondern lediglich eine Werbemaßnahme mit unsachlicher Anreizwirkung.
Der BGH beurteilte die einzelnen Werbeaktionen dementsprechend unterschiedlich: Drei der beanstandeten Verfügungen seien von Anfang an gerechtfertigt gewesen – und damit kein Fall für Schadensersatz. Dazu gehörten die Prämien mit Bandbreite, die Freundewerbung mit Hotelgutschein und ADAC-Mitgliedschaft sowie der Gutschein für den nachfolgenden Einkauf rezeptfreier Produkte. In zwei anderen Fällen jedoch – nämlich bei einem sofortigen 10-Euro-Abzug und bei einem direkt gewährten 5-Euro-Vorteil – sei ein Schadensersatzanspruch denkbar, weil diese Preisnachlässe unmittelbar wirkten und daher zulässig sein könnten.
Bedeutung für die Praxis
Für Apotheken, insbesondere für Versandapotheken, hat das Urteil erhebliche praktische Konsequenzen. Wer mit Bonusaktionen werben will, muss sehr genau unterscheiden, ob der Preisvorteil sofort oder erst später wirkt. Nur eine Vergünstigung, die direkt beim aktuellen Kauf oder bei der Einlösung des Rezepts greift, kann rechtlich zulässig sein. Alles, was erst beim nächsten Einkauf oder in Form eines Gutscheins eingelöst wird, bleibt tabu. Auch Sachzuwendungen wie Hotelaufenthalte oder Vereinsmitgliedschaften sind unzulässig, weil sie keinen unmittelbaren Bezug zum Arzneimittelkauf haben.
Marketingverantwortliche sollten daher ihre Werbeaussagen besonders präzise formulieren. Allgemeine Formulierungen wie „bis zu 20 Euro pro Rezept“ sind nicht nur ungenau, sondern nach der Rechtsprechung ausdrücklich verboten. Zulässig ist allenfalls eine klare Aussage wie „10 Euro werden sofort vom Rechnungsbetrag abgezogen“, wenn dieser Nachlass tatsächlich bei der aktuellen Bestellung verrechnet wird.
Bemerkenswert ist auch der prozessuale Aspekt der Entscheidung: Wer mit grenzüberschreitendem Versandhandel zu tun hat, sollte sich darauf einstellen, dass deutsche Gerichte das ausländische Recht eigenständig prüfen. Es genügt also nicht, sich auf unbestrittenen Parteivortrag zu berufen oder juristische Stellungnahmen vorzulegen – das Gericht muss die maßgeblichen Vorschriften selbst ermitteln. Das erhöht den Aufwand, sorgt aber für mehr Rechtssicherheit.
Fazit
Mit der Entscheidung zur Gutscheinwerbung stellt der Bundesgerichtshof fest, welche Bonus- und Rabattaktionen bei Arzneimitteln zulässig sind und welche nicht.
Unbestimmte Prämien und nachgelagerte Gutscheine sind tabu, unmittelbare Preisnachlässe dagegen bleiben möglich. Damit stärkt das Urteil den Grundsatz, dass der Preis verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht durch Marketingmaßnahmen ausgehöhlt werden darf.
Zugleich mahnt der BGH die Gerichte, bei internationalen Sachverhalten sorgfältig und eigenständig zu arbeiten.
Für Apotheken bedeutet das: Werblich ist weniger oft mehr. Klare, sofort wirkende Preisnachlässe sind erlaubt – alles andere kann zu Abmahnungen führen und damit teuer werden.
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