Nero Champagne vs. Champagne, Marke, Markenrecht, geschützte Ursprungsbezeichnung, Rechtsanwalt, g.U.

Nero Champagne

vs.

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Darf man einen echten Champagne mit einem klangvollen Zusatz versehen – etwa „Nero“ – und das Ganze dann als Marke schützen lassen? Oder nutzt man damit schon unzulässig den Ruf der geschützten Ursprungsbezeichnung „Champagne“ aus?

Worum geht’s?

Ein italienisches Unternehmen hatte die EU-Wortmarke „NERO CHAMPAGNE“ angemeldet. Die Marke sollte Schaumweine bezeichnen, die ausdrücklich der Produktspezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung Champagne entsprechen, also echten Champagne. Außerdem sollten unter der Marke auch Vertriebs- und Promotionsdienstleistungen rund um Champagne-Weine angeboten werden. Der Branchenverband „Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne“ und die französische Qualitätsbehörde INAO sahen darin eine Gefahr für den Ruf des „Champagne“ und legten Widerspruch ein.

Das EUIPO – also das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum – hatte den Widerspruch teilweise zurückgewiesen. Die Begründung: Wenn die angemeldeten Waren ohnehin den Champagne-Vorgaben entsprechen, sei der Schutzmechanismus der geografischen Angabe nicht betroffen. Mit anderen Worten: Wer echten Champagne verkauft, darf auch „Champagne“ in seiner Marke führen – so lange die Warenliste entsprechend eingeschränkt ist. Gegen diese Sichtweise zogen die französischen Institutionen vor das Gericht der Europäischen Union (EuG).

Entscheidung zu Nero Champagne

Das EuG entschied zugunsten des Branchenverbandes und gegen Nero Champagne. Mit Entscheidung vom 25.06.2025 – Az. T-239/23 stellte das Gericht klar: Auch wenn eine Marke nur für Waren angemeldet wird, die der Champagne-Spezifikation entsprechen, kann sie dennoch den besonderen Schutz der geografischen Angabe verletzen. Entscheidend sei nicht allein die Warenbeschreibung, sondern die Wirkung des Zeichens auf den Verbraucher.

Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die angemeldete Marke den Ruf der geografischen Ursprungsbezeichnung ausnutzt …, obwohl die Erzeugnisse … der Spezifikation entsprechen.

Mit anderen Worten: Selbst echter Champagne darf nicht so vermarktet werden, dass der glanzvolle Ruf der Bezeichnung „Champagne“ in einer Marke vereinnahmt oder verfremdet wird. Das EuG hob daher die Entscheidung der Beschwerdekammer auf und gab dem Widerspruch vollumfänglich statt. Die Eintragung von „NERO CHAMPAGNE“ wurde abgelehnt – sowohl für Schaumweine als auch für Dienstleistungen im Bereich Vertrieb, Werbung und Veranstaltungen.

Warum das Gericht so entschied

Das EuG wandte sich ausdrücklich gegen die vom EUIPO vertretene „Limitierungstheorie“. Danach sollte der Schutz der geografischen Angabe entfallen, wenn die Warenbeschreibung in der Markenanmeldung auf Produkte beschränkt wird, die exakt der Spezifikation entsprechen. Das Gericht stellte klar, dass eine solche pauschale Annahme dem System des Herkunftsschutzes widerspricht. Die Prüfung, ob eine Marke den Ruf einer geschützten Angabe ausnutzt oder das Publikum irreführt, müsse immer konkret erfolgen.

Im Mittelpunkt stand die Frage, wie das Publikum die Wortkombination „NERO CHAMPAGNE“ versteht. Das Wort „Nero“ wird von italienischsprachigen Verbrauchern mit der Bedeutung „schwarz“ verbunden und erinnert zudem an bekannte Rebsorten wie „Nero d’Avola“. Damit könne der Eindruck entstehen, es handle sich um eine besondere Variante des Champagne – etwa einen „schwarzen“ Champagne oder einen aus dunklen Trauben gekelterten Schaumwein. Da die Champagne-Spezifikation jedoch ausschließlich weiße und roséfarbene Varianten kennt, sei eine solche Vorstellung schlicht unzutreffend.

Das EuG hielt es deshalb für naheliegend, dass die Marke „NERO CHAMPAGNE“ Verbraucher in die Irre führen könne. Hinzu komme, dass der Zusatz „Nero“ in Kombination mit „Champagne“ den luxuriösen Ruf des französischen Kultgetränks ausnutze. Das italienische Unternehmen hatte argumentiert, es verfüge über eine Markenfamilie mit dem Bestandteil „NERO“ (etwa „NERO GOLD“, „NERO COFFEE“ usw.), die das Publikum kenne und daher nicht irreführen könne. Das Gericht ließ diesen Einwand nicht gelten: Eine solche Markenfamilie sei nicht ausreichend bekannt, um die Wahrnehmung des Publikums tatsächlich zu prägen.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung. Es zeigt, dass der Schutz geografischer Angaben nicht nur vor unberechtigter Verwendung durch Dritte schützt, sondern auch innerhalb des geschützten Bereichs wirkt. Selbst wer „echte“ Produkte anbietet, darf den Namen nicht markenrechtlich in einer Weise verwenden, die das Publikum täuschen oder die Reputation der Herkunftsangabe ausbeuten könnte.

Für Markeninhaber im Getränkebereich bedeutet das: Eine bloße Einschränkung der Warenliste auf Produkte mit g.U.-Status ist kein Freibrief. Entscheidend bleibt der Gesamteindruck. Schon kleine semantische Zusätze – etwa Farbangaben oder Anspielungen auf Rebsorten – können das Gleichgewicht stören und eine unzulässige Rufausnutzung begründen.

Auch wer Dienstleistungen rund um solche Produkte anbietet – etwa Events, Werbung oder Handel – muss sorgfältig prüfen, ob die gewählte Marke das Publikum über die Art oder Herkunft der Waren täuschen könnte. Das gilt insbesondere im digitalen Vertrieb, wo Markenbezeichnungen häufig als Schlagwort oder Hashtag verwendet werden.

Fazit

„Champagne“ bleibt ein besonderer Fall – und gerade deshalb besonders geschützt. Das Urteil zeigt eindrücklich, dass selbst ein echtes Produkt nicht automatisch immun gegen den Schutzmechanismus geografischer Angaben ist. Der Versuch, mit sprachlichen Zusätzen den Premiumcharakter zu betonen, kann schnell als Rufausnutzung oder Irreführung gewertet werden.

Mit seiner Entscheidung stärkt das EuG die Integrität des Herkunftsschutzes und setzt zugleich ein deutliches Signal an Markenanmelder: Wer mit Prestige-Bezeichnungen arbeitet, sollte nicht nur an die Flasche, sondern auch an das Markenrecht denken.

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