
Kein
alkoholfreier
Gin.
Kein
alkoholfreier
Gin.
von
Darf ein völlig alkoholfreies Getränk den Begriff „Gin“ im Namen tragen? Und wie weit reicht der Schutz traditioneller Spirituosenbezeichnungen im digitalen Handel?
Ein Getränk, ein Name – und ein großes Problem
Immer mehr Unternehmen setzen auf alkoholfreie Alternativen zu klassischen Spirituosen. Kreationen mit Botanicals, Wacholdernoten und moderner Aufmachung füllen die Regale. Marketingseitig liegt es nahe, diese Produkte sprachlich in die Nähe bekannter Kategorien zu rücken. Doch genau dort liegt die juristische Stolperstelle.
Ein Produkt mit dem Namen „Virgin Gin Alkoholfrei“, vertrieben von der PB Vi Goods GmbH, brachte einen Wettbewerbsverband auf den Plan. Der Vorwurf: Die Bezeichnung verletze das strenge EU-Spirituosenrecht. Das Landgericht Potsdam legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof vor – und der hat nun klare Worte gefunden: „Alkoholfreier Gin“ ist unionsrechtswidrig.
Die europäische Spirituosenverordnung
Die europäische Spirituosenverordnung 2019/787 definiert Begriffe wie Whisky, Rum oder Gin nicht nur grob, sondern mit fast technischer Präzision. Ziel ist ein hoher Verbraucherschutz, ein transparenter Markt und der Schutz traditioneller Produktkategorien vor Verwässerung.
Für „Gin“ verlangt die Verordnung:
- Herstellung mit Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs
- Aromatisierung mit Wacholder
- Mindestalkoholgehalt von 37,5 Prozent
Ein Getränk ohne jeden Alkohol erfüllt diese Voraussetzungen schlicht nicht. Und genau deshalb greift das Verwendungsverbot in der Verordnung: Geschützte Spirituosenbezeichnungen dürfen nicht für Produkte genutzt werden, die nicht in die jeweilige Kategorie fallen – selbst dann nicht, wenn der Begriff mit Zusätzen kombiniert wird.
Der EuGH entscheidet: „Alkoholfreier Gin“ bleibt verboten
Der EuGH macht in seinem Urteil unmissverständlich klar, dass ein alkoholfreies Getränk nicht als „Gin“, auch nicht als „alkoholfreier Gin“, vermarktet werden darf. Die Kombination eines rechtlich geschützten Begriffs mit einem klarstellenden Zusatz ändert nichts am Verbot.
Das Gericht argumentiert dabei streng am Wortlaut der Verordnung:
Die Bezeichnung „Gin“ ist eine geschützte Rechtsbezeichnung. Wer sie verwendet, ohne die Vorgaben der Kategorie zu erfüllen, verstößt gegen die unionsrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften – ganz gleich, wie kreativ der Zusatz formuliert ist.
Nach dem Unionsrecht ist es eindeutig verboten, ein Getränk wie das in Rede stehende als „alkoholfreien Gin“ aufzumachen und zu kennzeichnen, da dieses Getränk keinen Alkohol enthält. Der Umstand, dass die rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung von „Gin“ mit dem Zusatz „alkoholfrei“ versehen ist, ist insoweit unerheblich.
Gleichzeitig verwirft der EuGH die Hoffnung, man könne über die Vorschrift zu „Anspielungen“ doch noch eine Hintertür finden. Diese Norm gilt nur für Lebensmittel, die unter Verwendung von Alkohol hergestellt werden. Ein komplett alkoholfreies Produkt fällt daher nicht darunter.
Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Für Hersteller, Händler und Plattformen bringt das Urteil des EuGH Klarheit – und gleichzeitig Handlungsbedarf.
Produktnamen
Bezeichnungen wie
- „alkoholfreier Gin“,
- „Gin Style“,
- „Gin-Alternative“,
- „Gin-Geschmack“
sind ab sofort hochriskant oder bereits klar unzulässig. Das Risiko von Abmahnungen durch Wettbewerbsverbände oder Mitbewerber steigt.
Produktbeschreibungen
Zulässig bleibt natürlich eine neutrale Beschreibung wie etwa „alkoholfreies Getränk mit Wacholderaromen“ oder „Botanical Drink“. Entscheidend ist, dass kein Eindruck entsteht, das Produkt sei eine Spirituose.
Onlinehandel & Sortimentspflege
Online-Shops sollten ihre Produktdatenbanken prüfen. Denn riskant sind nicht nur Etiketten, sondern auch Kategorien, Suchfilter und SEO-Texte, die mit „Gin“ arbeiten. Besonders Marktplätze mit automatisierten Übersetzungen oder Text-Snippets sollten Vorsicht walten lassen.
Marketing & Branding
Das Urteil zwingt Marken, stärker in eigenständige Konzepte zu investieren. Statt sich sprachlich an bekannte Spirituosen anzulehnen, brauchen alkoholfreie Produkte eine eigene Markenidentität – gerade im Premiumsegment.
Fazit
Der EuGH setzt mit seiner Entscheidung ein deutliches Zeichen. „Gin“ bleibt „Gin“ – und das heißt: mit Alkohol, mit traditionellem Herstellungsverfahren und mit klaren rechtlichen Anforderungen. Der Markt der alkoholfreien Alternativen darf weiter wachsen, muss sich aber sprachlich klar abgrenzen.
In gleicher Weise hatte kürzlich das LG Hamburg entschieden. Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit, erhöht aber zugleich die regulatorische Verantwortung auf Hersteller- und Händlerseite. Wer im Segment der alkoholfreien Botanicals unterwegs ist, sollte das Urteil ernst nehmen und seine Produktkommunikation entsprechend anpassen.
Wir beraten
Sie gerne zum
Wettbewerbsrecht!






